Fantasielose Menschen, Geschichtslehrer zum Beispiel, würden behaupten, dass Albrecht Wenzel Eusebius von Waldstein, Herzog zu Mecklenburg, Fürst zu Wenden, Graf von Schwerin, Herr von Rostock, Herr von Stargard und Generalissimus (Oberbefehlshaber der kaiserlichen Armee im Dreißigjährigen Krieg) sowie Admiral bereits 1634 ermordet wurde. Ich aber habe ihn letzten Sonntag mit eigenen Augen gesehen. Erst im Interview mit einer Pressedame und dann huldvoll winkend in seiner Kutsche beim prachtvollen Einzug in die Stadt. Gut sah er aus!
Alle vier Jahre zieht Wallenstein nach Memmingen ein
Naja, es war vielleicht doch nicht der vor 280 Jahren Verblichene höchstpersönlich, sondern sein höchst ansehnliches neuzeitliches Double Dr. Klaus Hörmann.
Der echte Wallenstein war aber wirklich für einige Monate in Memmingen, nämlich im Jahr 1630. Dort machte er sich bei den Einheimischen sehr beliebt, weil während seiner Anwesenheit nicht nur Frieden und Ruhe herrschten (er ließ Hunde und Hähne einsperren, damit sie keinen Lärm machten und verbot das Läuten der Kirchenglocken), sondern er und sein Gefolge es sich auch recht gut gehen ließen und dafür sogar bezahlten. Wallensteins Abreise war wahrscheinlich weniger fröhlich als der prunkvolle Einzug, weil er in Memmingen auch seine Absetzungsurkunde erhielt.
Wie auch immer: Der Einzug Wallensteins mit seinem Gefolge wird in Memmingen alle vier Jahre mit einem außerordentlichen Aufwand nachvollzogen. 2012 war wieder ein Wallenstein-Jahr, und vom 29. Juli bis 5. August war die ganze Stadt in Wallung, mit täglichem Lagerleben, Theater-, Lager- und Reiterspielen, an drei Tagen war historischer Handwerkermarkt, es gab eine Gefechtsvorführung, einen Fackelzug und natürlich die zwei historischen Um- bzw. Einzüge. 30.000 Einwohner hat Memmingen-Stadt, 4.500 Menschen haben bei der historischen Woche mitgewirkt. Das allein finde ich schon sehr beeindruckend.
Meine Eindrücke vom Umzug anlässlich der Wallenstein Festspiele Memmingen 2012
Der Umzug am Sonntag war riesig: Rund eineinhalb Stunden lang zogen bei fürstlichem Wetter Arkebusiere, Kürassiere, Pikeniere und sonstiges Kriegsvolk durch die Altstadt, begleitet von Gauklern, Marketenderinnen, Versorgungswagen, Bettlern und einem Trupp sehr pittoresker Verwundeter. 200.000 Besucher soll die historische Woche angezogen haben. Gefühlte 100.000 waren letzten Sonntag mit dabei, darunter sogar Horst Seehofer, der bayerische Ministerpräsident. Den habe ich nicht gesehen, aber so gut wie Dr. Hörmann alias Wallenstein sieht er eh nicht aus.
Vom Umzug habe ich euch jedenfalls ein paar Bilder mitgebracht. Der Tod zog schon mal mit:
Die Trommler gaben den Marschrhythmus vor.
Natürlich waren auch Musketiere dabei. Einige hoch zu Ross …
andere auf Schusters Rappen.
Sehr dekorativ: die Fahnenträger
Exotisch: Mongolen im Tross
Unterhaltung für’s Fußvolk im Zug und am Wegesrand: die Gaukler
Ebenfalls sehr authentisch: der Versorgungstross
und hier noch ein Klassiker: die Pappenheimer (das sind die Reiter mit dem geschlossenen Visier)
Wenn ihr Lust auf mehr bekommen habt: 2022 ist es wieder so weit, dann findet die nächste Historische Woche Memmingen 1630 statt, und Wallenstein reitet wieder mit seinem Gefolge durch die Stadt.