Die Fürstäbtliche Residenz Kempten ist noch heute ein prächtiges, monumentales Gebäude und eine der beeindruckendsten Sehenswürdigkeiten im Allgäu. Wie muss sie da erst den Zeitgenossen erschienen sein?
Nach den Wirren und Zerstörungen des Dreißigjährigen Krieges wurde das riesige Kloster samt der Stiftskirche St. Lorenz in den Jahren 1651 bis 1670 als erster großer kirchlicher Bau in Deutschland errichtet. Sicher war es als Zeichen der Hoffnung gedacht, vermutlich aber auch als Ausdruck des kirchlichen Selbst- und Sendungsbewusstseins. Der Fürstabt, der auch weltlicher Herrscher war, wohnte jedenfalls nicht etwa in einer bescheidenen Klosterzelle, sondern in höchst repräsentativen Gemächern, die im frühen Rokokostil ausgestattet sind. Die Prunkräume der Residenz Kempten sind nur im Rahmen einer Führung zu besichtigen.
Eine Führung durch die Prunkräume der Residenz Kempten
Der Eingang zu den Gemächern der Allgäuer Fürstäbte liegt gleich neben der Basilika St. Lorenz im Herzen der (Stifts-) Stadt.
Von April von Oktober finden Dienstag bis Sonntag alle 45 Minuten Führungen statt; im Winter sind die Zeiten eingeschränkt. Der Eintrittspreis liegt bei 3,50 Euro für Erwachsene. Eine Übersicht über Öffnungszeiten und Preise sowie weitere Informationen findet ihr auf der Website der Stadt Kempten oder der Bayerischen Schlösser- und Seenverwaltung. Letztere hat mir freundlicherweise das Fotografieren in der Residenz und das Veröffentlichen der Bilder auf diesem Blog erlaubt.
Ein Blick in den Innenhof des früheren Klosters zeigt, wie groß die ehemals fürstäbtliche Anlage ist. Gegenüber residiert heute übrigens das Amtsgericht Kempten.
Zur Führung geht es dann hinauf in den ersten Stock in einen vergleichsweise schlichten Gang, von dem mehrere Räume abzweigen.
Vor dem Betreten der Prunkräume gilt es zunächst, in Filzschlappen zu schlüpfen. Das edle Parkett soll schließlich nicht durch hereingeschleppte Steinchen zerkratzt werden.
Rundgang durch die fürstäbtlichen Prunkräume in der Residenz Kempten
Der Fürstabt war gleichzeitig Herscher und Richter über die Stiftsstadt Kempten. Also brauchte er auch eine Verwaltung und ein Gericht. Wir beginnen unseren Rundgang daher in der Hofkanzlei, in der auch Recht gesprochen wurde.
Das Deckengemälde zeigen Szenen aus dem alten Testament: hier beispielweise Esther vor dem König Ahasverus.
Es schließt sich eine ganze Zimmerflucht an: Schlafzimmer, Wohnzimmer, Audienzzimmer, Vorzimmer.
Auf die Decke des fürstäbtlichen Schlafzimmers ist passenderweise Jakob mit dem Traum von der Himmelsleiter gemalt.
Im Wohn- und Arbeitszimmer stehen in den Ecken Kabinettschränke.
An den Wänden sind die Tugenden und Laster abgebildet, an der Decke der Weg der christlichen Seele in den Himmel.
Sehr hübsch, die zarte Seele, oder? Überhaupt beeindrucken die Details des ausgeklügelten Bild- und Dekorationsprogramms: Dieser Höllensturz erfolgt buchstäblich sehr plastisch – es ragt sogar ein Arm Richtung Unterwelt hervor:
Das Parkett ist wirklich der Schonung wert.
Der Audienzsaal ist überaus repräsentativ:
Wohl nicht ganz zufällig zeigt das Deckengemälde eine berühmte Audienz, nämlich die der Königin von Saba bei König Salomo.
Und seht ihr, wie schön der Frieden ist? Wie zierlich die junge Dame das Füßchen auf das nicht mehr benötigte Kriegsgerät setzt?
Der ehemalige Vorsaal, der heute die fürstäbtliche Bibliothek enthält, war zum Zeitpunkt meines Besuchs noch nicht wieder zugänglich.
Höhepunkt von Prunk und Pracht in der Residenz Kempten: der Festsaal
Der Fest- bzw. Thronsaal war dazu bestimmt, den Machtanspruch des Fürstabts zu verdeutlichen und die Geschichte des Fürststifts bestmöglich zu präsentieren.
Für den Thronsaal war daher die teuerste und beste Ausstattung gerade gut genug: Kristalllüster, Spiegel, Stuck und Malerei, und gerne etwas mehr von allem. Man konkurrierte schließlich auch mit anderen Herrschern in Bayern um Prestige und Bedeutung. Und tatsächlich braucht man sich hier vor der Münchner Residenz nicht zu verstecken!
Auf dem Deckengemälde im Thronsaal der Residenz dürfen Karl der Große und seine Gemahlin Hildegard nicht fehlen. Schließlich führten die Benediktiner die Gründung des Kemptener Klosters auf das Herrscherpaar zurück.
Vergleichsweise schlicht: der Fürstensaal der Residenz Kempten
Der Fürstensaal mit seiner barocken, weißen Stuckdecke dient heute manchmal als Konzertsaal. Er ist auf schlichte Art sehr schön. An den Wänden hängen Portraits der Kemptener Fürstäbte.
Karl und Hildegard sind ebenfalls da – und im Himmel über ihnen jubilieren die Engelein über die kaiserliche Stiftung in Kempten.
Falls ihr auch mal fürstlich feiern wollt: Man kann den Fürstensaal für Veranstaltungen mieten, etwa für Hochzeiten. Allerdings solltet ihr dabei bedenken, dass die Toiletten sich im Erdgeschoss befinden.
Falls ihr in Kempten noch mehr unternehmen wollt, empfehle ich euch folgende Beiträge:
Die Erasmuskapelle Kempten: geheimnisvolle Unterwelt
Archäologischer Park Cambodunum – Reste der Römer in Kempten
Heinrich der Kempter: nackte Tatsachen am Rathaus Kempten
Ich habe die Residenz auch auf meine Liste der schönsten Regenwetter-Ausflugsziele im Allgäu aufgenommen; dort findet ihr weitere Ideen für Regentage.