Es mag umfangreichere Reste römischer Städte in Deutschland geben, nachweisbar ältere gibt es nicht. Denn Kemptens Existenz ist aufgrund einer vor Ort gefundenen Inschrift bereits für das Jahr 2 nach Christus schriftlich dokumentiert, der römische Geograph Strabon erwähnt die Stadt im Jahr 18. Auf diese lange und gut erforschte Geschichte ist die Allgäu-Metropole sehr stolz. Allerdings lag das römische Cambodunum nicht an den Ufern der Iller, wo sich das heutige Stadtzentrum ausbreitet, sondern auf einer Anhöhe über dem Fluss. Die Überreste der römischen Anlagen wurden in der Nachkriegszeit teilweise überbaut, ein großer Teil ist aber als Freilichtmuseum sicht- und erlebbar: als Archäologischer Park Cambodunum, kurz APC genannt.
Archäologischer Park Cambodunum – ein Rundgang durch die Antike
Wir haben das antike Kempten nach längerer Zeit mal wieder besucht, und zwar an einem verregneten Sonntagvormittag. Jeden Sonntag findet um 11 Uhr eine Führung statt, die im Eintrittspreis inbegriffen ist. Das Kassenhäuschen beherbergt eine kleine Taberna (Museumsshop und Café mit alt-römischen Spezialitäten).
Vom Römerspielplatz in den römischen Tempelbezirk im APC Kempten
Vor dem Kassenhäuschen befindet sich ein schöner Themenspielplatz, auf dem Kinder mit etwas Fantasie in die römische Antike eintauchen können. Er hat es sogar auf meine Liste der schönsten Spielplätze im Allgäu geschafft.
Die Führung beginnt aber am Eingang des Tempelbezirks.
Hier treffen sich drei Römerinnen, die in Begleitung ihrer Sklaven gekommen sind, um den Göttern zu opfern. Sie führen einen kleinen Dialog …
… und dienen auch als lebende Anschauungsobjekte für die Führerin. Römische Sitten und Kleider können hier live studiert werden, was ich für eine sehr hübsche Idee halte.
Drinnen im Tempelbezirk finden sich einige Reste antiker Kultstätten.
Der kleine Tempel rechts im Hintergrund war übrigens dem Merkur geweiht, dem Gott der Händler, aber auch der Diebe.
Berühmt ist dieses Relief der Göttin Epona. Diese ursprünglich keltische Fruchtbarkeitsgöttin wurde von den Römern als Göttin der Pferde verehrt; die Römer waren bei der Aneignung lokaler Gottheiten recht flexibel, also eher multikulti eingestellt.
Der Herkulestempel wurde rekonstruiert und kann mit einer Multivisionsshow besichtigt werden. Darin führt ein Priester namens Florus die Besucher in einer Prozession um das Allerheiligste. Wie die Besucher vor 2000 Jahren kann man erst nach dem Rundgang einen Blick auf die Gottheit erhaschen. Sehr schön gemacht und sehr anschaulich!
Dieser Herkules ist übrigens eine Nachbildung einer Statue, die in der Schweiz gefunden wurde.
Stippvisite auf dem römischen Forum in Kempten
Neben dem Tempelbezirk war das Forum mit der Basilika (die als Markt-, Versammlungs- und Gerichtshalle diente) das Herzstück einer jeden römischen Stadt; so war es auch in Cambodunum. Der Eingang zum Forum liegt zwischen diesen beiden Säulen, …
… hinter denen die Replik einer Statue des römischen Kaisers Augustus die Besucher begrüßt.
Freilich ist vom römischen Forum mit den umgebenden Gebäuden heute nicht mehr sehr viel zu sehen, weswegen dieses Bronzemodell für heutige Betrachter hilfreich ist.
Zum Schluss noch ein Besuch in den kleinen Thermen von Cambodunum
Die Römer liebten ja bekanntlich das Baden und leisteten sich in jeder Stadt und sogar in den meisten größeren Landhäusern ein Badehaus. Natürlich hatte auch die wichtige Stadt Cambodunum – für einige Jahre war sie sogar die Hauptstadt der Provinz Raetia – ein öffentliches Bad. Diese sogenannten kleinen Thermen wurden ausgegraben und können unter einem Schutzbau besichtigt werden.
Besonders interessant finde ich jedes Mal die Gemeinschaftstoiletten, denn die Römer gingen gern gemeinsam aufs Klo.
Abgeputzt hat man sich damals mit einem Schwamm, der an einem Holzstab befestigt war.
Die Sickergrube zu den Toiletten hat sich bei den Ausgrabungen übrigens als wahre archäologische Fundgrube erwiesen; einige der Fundstücke werden vor Ort in Vitrinen ausgestellt.
Im APC, der 2017 seinen 30sten Geburtstag feierte, sind für Gruppen verschiedene Sonderführungen möglich. Es werden auch spezielle Blindenführungen angeboten. Von Mai bis September gibt es an jedem dritten Sonntag im Monat eine eigene Kinderführung. Weitere Informationen dazu findet ihr hier.
Mein Fazit: Der APC – Archäologischer Park Cambodunum – ist für Geschichtsinteressierte und für Familien mit Kindern ab dem Grundschulalter ein sehr lohnendes Ausflugsziel. Ich empfehle den Besuch am Sonntagvormittag mit Führung, denn die macht das Ganze noch anschaulicher.
Hier gibt es noch mehr gute Tipps für Unternehmungen bei Regen mit Kindern im Allgäu.