Genau genommen handelt es sich beim Herz-Jesu-Feuer gar nicht um einen Allgäuer Brauch (hier zündet man stattdessen zur Sommersonnwende die Johannifeuer an), sondern um einen aus Tirol. Aber das Tannheimer Tal gehört zur unmittelbaren Nachbarschaft und damit gefühlt doch fast zum Allgäu.
Was sind Herz-Jesu-Feuer?
An den Hängen und auf den Gipfeln der Berge werden nach Einbruch der Dunkelheit Feuer entzündet. Sie folgen entweder dem Gipfelverlauf oder stellen ein christliches Motiv dar. Oben im Titelfoto seht ihr ein brennendes Herz mit einem Kreuz darauf, das in der Gipfelregion des Aggenstein entzündet wurde. Auf dem Berggrat erkennt ihr ebenfalls eine Flammenspur.
Die Bergfeuer zur Sommersonnwende sind ein uralter Brauch in der Alpenregion, der wahrscheinlich noch heidnische Wurzeln hat, später aber christlich umgewidmet wurde. In Tirol haben sich daraus aus einem kriegerischen Anlass heraus die Herz-Jesu-Feuer entwickelt.
Die Herz-Jesu-Feuer erinnern an den Krieg gegen Napoleon
1796 eroberte nämlich Napoleon das lombardische Königreich und Teile Tirols. Er wollte dadurch die Habsburger unter Druck setzen und seine Truppen nach Bayern vorstoßen lassen, das zu diesem Zeitpunkt zu den Verbündeten Österreichs zählte. Dagegen wehrten sich die Einheimischen. Dem Tiroler Landsturm gelang es 1797 gemeinsam mit den österreichischen Truppen, die napoleonischen Soldaten zu besiegen und zu vertreiben. Freilich war der Sieg nicht sehr nachhaltig, denn 1805 schlossen die Österreicher und Franzosen Frieden, woraufhin Tirol geteilt wurde. Ein Teil kam zu Italien, wo ein Bruder Napoleons regierte, ein Teil zu Bayern, das sich inzwischen mit Frankreich verbündet hatte und selbst zum Königreich geworden war.
Aber soweit sind wir noch nicht: Als die Tiroler sich 1796 zum Landsturm sammelten, schlug der Stamser Abt Sebastian Stöckl vor, das Land dem Schutz des „Heiligsten Herzen Jesu“ anzuvertrauen. Das tat man dann auch, und aus diesem Anlass wurden die Herz-Jesu-Feuer erstmals entzündet. Vermutlich auch deswegen, weil man sich in Kriegszeiten ohnehin über Leuchtfeuer in den Bergen verständigte.
Außerdem sollte zukünftig jedes Jahr das Herz-Jesu-Fest mit einem Gottesdienst gefeiert werden. Bis heute wird dieses Fest in Tirol am Freitag in der Woche nach Fronleichnam gefeiert. Heute brennen die Herz-Jesu-Feuer im Tannheimer Tal und in der Exklave Jungholz immer am Wochenende danach.
Der Brauch ist noch lebendig
Die Mitwirkenden machen sich unglaublich viel Arbeit, um die benötigten Materialien bis auf steilste Hänge und Gipfel zu transportieren. Sobald die Dämmerung hereinbricht, beginnt es dort zu qualmen und dann nach und nach immer mehr zu leuchten. Wir haben das 2017 bei Tannheim oberhalb der Talstation der Neunerköpfle-Bergbahn beobachtet:
Sehr schön fand ich die feurige „Gipfeldeko“ am Geißhorn:
Am Neunerköpfle loderten ein Herz mit Kreuz …
und eine flammende Kerze:
Wenn ich mich umdrehte, grüßte der Aggenstein herüber:
Bei Schattwald brennen noch aufwendigere Symbole als Herz-Jesu-Feuer
Nachdem es völlig dunkel geworden war, fuhren wir von Tannheim zurück bis Schattwald (und von dort dann heim ins Ostallgäu). Dort leuchteten die Feuer wie aus einem schwarzen Nichts heraus. Dieser Engel muss aus tausenden von Einzelfeuern bestanden haben.
Das geflügelte Kreuz schien über der Kirche am Himmel zu schweben …
und am Ende brannten Alpha und Omega unter dem Kreuz.
Eindrücke vom Herz-Jesu-Feuer 2023
Bei unserem zweiten Besuch anlässlich der Herz-Jesu-Feuer im Tannheimer Tal waren wir in Nesselwängle, wo man am Parkplatz zum Krinnenlift eine gute Ausgangsbasis hat. Am Feuerwehrhaus steht dann ein Festzelt, wo man sich mit Bratwurst und Getränken versorgen kann.
Auf der Roten Flüh leuchtete eine Lichterkette und kurz auch ein rotes Scheinwerferlift, was wirklich umwerfend aussah:
Gegenüber, auf der Krinnenspitze, wurde ebenfalls eine Gratbeleuchtung entzündet, außerdem ein Hostienkelch. Rechts sieht man im Gebet gefaltete Hände.
Am besten gefallen hat mir das Kreuz auf der Gaichtspitze:
Ich finde die Herz-Jesu-Feuer im Tannheimer Tal wunderschön. Der Fleiß der Beteiligten ist beeindruckend und die Atmosphäre ganz zauberhaft. Falls ihr sie einmal selbst sehen wollt: Das nächste Mal brennen sie am 15. und 16. Juni 2024.
Falls ihr euch für weiteres flammendes Brauchtum im Allgäu interessiert, empfehle ich meinen Beitrag zum Funkenfeuer (mit Video).
Ich hab letztes Jahr mal einen Bericht über Veranstaltungen, Bräuche und Feierlichkeiten zur Sommersonnenwende geschrieben. Überall auf der Welt wird diese besondere Zeit im Jahr (die längsten Tage) ja auch heute noch zelebriert und gefeirt.
Von den Feuern hatte ich daher schon gehört… ein sehr schöner Bericht mit ganz wunderbaren Bildern, die zeigen, wie sehr die Tradition dort noch gepflegt wird.
Liebe Grüße
Tanja
Hallo Tanja, ich freue mich, wenn der Post Dir gefällt. Mir hat der Abend im Tannheimer Tal sehr gut gefallen. Wo gibt es den Deinen Beitrag zu den Sonnwendfeiern anderswo? Du kannst gerne hier den Link veröffentlichen.