Auf dem Grund des Forggensees kann man jedes Frühjahr spazieren gehen. Das liegt daran, dass es sich um einen Stausee handelt, dessen Wasser über den Winter nach und nach abgelassen wird. Richtig voll mit Wasser ist er nur zwischen dem 1. Juni und dem 15. Oktober.
Wer heute im Sommer ins südliche Ostallgäu reist, kann sich kaum vorstellen, dass König Ludwig II. von seinem Märchenschloss aus nicht auf einen blauschimmernden See, sondern auf eine grüne Auenlandschaft blickte. Darin lagen einige kleine Weiler, dazwischen Wiesen, Heuschober und eine Mühle am Lauf eines mäandernden kleinen Baches.
1954 wurden bei Schwangau und Roßhaupten zwei Lech-Staustufen fertiggestellt und der Talgrund geflutet. Gedacht war der Stausee als Hochwasserrückhaltebecken für die stromabwärts gelegenen Gemeinden und als Garant für eine gleichmäßige Stromerzeugung durch Wasserkraft. Für diesen „Fortschritt“ geopfert wurden die Häuser und Höfe im Tal, und das, obwohl einige Anwohner sich heftig wehrten. Heute wissen viele Menschen nicht einmal mehr, dass der See seinen Namen dem versunkenen Weiler Forggen verdankt.
So idyllisch sieht der Forggensee heute im Spätommer aus:
Mit Magnus Peresson auf Entdeckungsreise auf dem Grund des Forggensees
Der Füssener Architekt und Historiker Magnus Peresson bietet immer wieder Führungen über den Seegrund an, und zwar ganz offiziell im Auftrag der Gemeinde Schwangau. An einer solchen Führung habe ich teilgenommen. Eines vorweg: Wenn ihr jemals die Gelegenheit habt, mit Magnus Peresson auf Entdeckungsreise zu gehen, solltet ihr sie auf jeden Fall nutzen! Dieser Mann ist ein wandelndes Geschichtsbuch, und seine Erzählungen sind so kurzweilig, dass die Zeit wie im Flug vergeht.
Gestartet sind wir beim Weiler Brunnen und von dort auf ein kleines Inselchen gestiegen, von dem aus man einen schönen Überblick hat. Hier erst mal nach Süden.
Das kleine Gewässer, das ihr hier seht, ist die Mühlberger Ach, die sich durch den Talgrund schlängelt, der die meiste Zeit des Jahres ein Seegrund ist. Ihr habt sie oben auf dem Titelfoto schon gesehen.
Wir aber sind zunächst mit Herrn Peresson einem kleinen Seerest entlang nach Norden gefolgt.
Unser nächster Haltepunkt war dieser Stein. Er war einmal ein Eckstein eines Heuschobers. An der Seite erkennt man noch gut das Bohrloch, das im Steinbruch gebohrt und dann mit Wasser gefüllt worden war, damit der Frost den Stein sprengen konnte.
Weiter ging es Richtung Wasser. Die Ach mäandert hier gemütlich vor sich hin. Man kann gut sehen, wo sie etwas abträgt und wo sie es wieder anlagert.
Besonders fasziniert hat mich, dass auch nach über 60 Jahren die Baumstümpfe noch aus dem Boden ragen. Sie klammern sich genauso hartnäckig am Boden fest, wie es die Überreste der menschlichen Behausungen tun.
Versunkene Heimstätten im Forggensee
Erstaunlicherweise noch gut erhalten ist der Gewölbekeller der früheren kurfürstlichen Mühle.
Ringsum verstreut liegen die Reste einiger Häuser.
Hier war einmal die Küche eines Hauses – der Wasseranschluss zur Spüle hat dem Wasser des Sees standgehalten.
Auch einige Ziegelreste sind erhalten.
Es ist ein eigenartiges Gefühl, zwischen diesen Trümmern umherzugehen. Die Menschen, die dort einst gelebt haben, haben ihre Häuser schließlich nicht freiwillig verlassen. Ihre kleine Welt ist einfach untergegangen.
Gleich nebenan hat das Wasser die Reste eines Badehauses freigespült, das einst zu einer römischen Villa Rustica gehört hatte. Sie hatte vermutlich die Bewohner von Forggen zur Sage vom versunkenen Dorf inspiriert, die Magnus Peresson so erzählte, wie seine Großmutter sie ihm erzählt hatte. Sie musste es wissen, denn sie stammte ebenfalls aus Forggen.
Peresson hat hier schon Hohlziegel aus dem Hypocaustum gefunden, Rohglas und Münzen. Das versunkene Dorf ist ein archäologisches Schatzkästlein, das sich durch Wind und Regen immer wieder einmal öffnet.
Der Seegrund hat seine eigene Ästhetik
Trotz der traurigen Geschichten ist der Ort voller Schönheit. Von hier aus scheint Schloss Neuschwanstein zum Greifen nah zu sein.
Das Wasser zeichnet eigenwillige Strukturen in den hier lehmigen Boden, die eine geradezu meditative Stimmung erzeugen.
Es ist Zeit, sich auf den Heimweg zu machen …
Dabei wäre weiter östlich auf dem Grund des Forggensees noch ein früheres Moor mit gespenstisch weißen Baumstümpfen zu entdecken, dazu noch die Reste der Römerstraße. Die alte Tiefentalbrücke wartet im Norden; dort waren wir vor drei Jahren schon einmal abends mit Herrn Peresson unterwegs (hier geht’s zum Post Mondlandschaft mit Tiefgang).
Noch mehr zu sehen gab es übrigens im Sommer 2018, als der Forggensee wegen der Staudammsanierung besonders tief abgelassen werden musste. Meine beinahe surrealen Impressionen vom leeren Forggensee 2018 habe ich natürlich auch ausführlich fotografisch festgehalten.
Liebe Barbara,
das war ein toller Bericht und vor allem tolle Fotos. Ich gehe heute Abend auch mit auf Magnus Peressons Führung. Ich schreibe auch für die Füssener Heimatzeitung. Wäre es möglich evtl. das eine oder andere Foto verwenden zu dürfen mit Quellenhinweis auf dich. Ich weiß nicht, ob ich sooo schöne Fotos hinbekomme wie du.
Liebe Grüße
Monika
Liebe Monika, es freut mich, wenn Dir der Bericht gefällt. Klar kannst Du Bilder von mir haben, wenn Du mich als Fotografin angibst. Schreib mir einfach eine E-Mail und gib an, welche Bilder Du haben möchtest. Viel Spaß mit Herrn Peresson – er macht das wirklich toll!
Das war wirklich ein tolles Erlebnis und nächstes Jahr komme ich auch wieder mit.
Ja, und nächstes Jahr sehen wir uns noch das versunkene Moor mit den gebleichten Bäumen an und suchen nach den sonstigen Resten der Villa Rustica …