Die „Metropole des Allgäus“ hat sich im Dezember 2019 mit einem neuen Kempten-Museum beschenkt. In einem der schönsten Häuser der Stadt, dem traditionsreichen Zumsteinhaus, werden 2000 Jahre Stadtgeschichte erzählt und gezeigt. Außerdem soll das Museum als Treffpunkt und gewissermaßen als „Wohnzimmer“ für die Kemptener Bürger dienen. Das musste ich mir natürlich genauer ansehen.
Ein Rundgang durch das Kempten-Museum
Was ich persönlich sehr sympathisch finde: Gleich hinter dem Eingang links liegt ein Salon. An dessen Wänden werden Persönlichkeiten aus Kempten mit Fotos und Gemälden gezeigt, wie man eben im Wohnzimmer Familienbilder aufhängt. Vor allem aber ist der Salon im Kempten-Museum ein kleines Café. Zwar mit Selbstbedienung, aber eben auch mit Stil.
Ebenfalls im Erdgeschoss liegen Ausstellungsräume über die Firma Gebrüder Zumstein und Kempten in Raum und Zeit.
Das repräsentative Gebäude am Residenzplatz wurde nämlich 1802 als Stadtpalais der Kaufmannsfamilie Zumstein erbaut, die im Textilhandel zu Reichtum gekommen war. Daher stammt also der Name Zumsteinhaus. Zumstein ist die wörtliche Übersetzung eines ursprünglich französischen Namens: Die Familie stammt aus dem Aostatal, das damals zu Savoyen gehörte, und hieß ursprünglich de la Pierre.
Daneben liegt der einzige chronologisch gestaltete Raum im Kempten-Museum: Die wichtigsten Ereignisse der Stadtgeschichte werden an den Wänden mit Schautafeln und fahrbaren Displays dargestellt. Sie umrahmen einen begehbaren Stadtplan mit Modellen der bedeutendsten Gebäude der Stadt. Eine sehr witzige Idee!
Herzstück des Museums ist ein 3D-Stadtmodell
Kempten als älteste schriftlich erwähnte Stadt Deutschlands hat eine bewegte Stadtgeschichte. Die fast 2000 Jahre umfassende Geschichte in rund drei Minuten zu veranschaulichen, ist schon eine Leistung. Möglich wird sie durch ein 3D-Modell im ersten Stock des Zumsteinhauses und eine Audiovisionsshow, in der die großen Entwicklungsschritte von der Römerstadt Cambodunum bis heute gezeigt werden.
Zur Zeit der Römer hatte die Iller noch ein anderes Bett; die römische Stadt wurde auf einem Hügel errichtet. Was davon heute noch übrig ist, zeigt übrigens ein Freilichtmuseum: Einen Besuch im Archäologischen Park Cambodunum kann ich (im Sommerhalbjahr) wärmstens empfehlen.
Zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges existierten zwei Städte: die katholische Stiftsstadt und die protestantische Reichsstadt. Nach dem Krieg wurde in Kempten als erster großer Sakralbau die Basilika St. Lorenz und die fürstäbtliche Residenz errichtet. Sie liegen in Sichtweite des Zumsteinhauses und sind ebenfalls einen Besuch wert.
Die übrigen Räume im Kempten-Museum sind thematisch gruppiert
Chronologisch angeordnete Sammlungen werden schnell langweilig. Deswegen gefallen mir die Themenräume im Kempten-Museum sehr gut: Darin geht es im ersten Stock beispielsweise um die Textilindustrie, die für die Stadt früher sehr wichtig war.
In Wer hat das Sagen in der Stadt? werden die Konflikte zwischen der Reichs- und Stiftsstadt thematisiert, die Kemptens Geschichte über Jahrhunderte prägten. Daneben geht es um Glauben und Herrschen.
In diesem Raum hatte ich besonders viel Spaß beim Bimmeln: Man kann hier Modelle der Glocken in der evangelischen Kirche St. Mang und der Basilika St. Lorenz antippen und hört dann Aufnahmen vom Geläute. Das ist nicht nur für Kinder lustig.
Im Gang habe ich mir noch den Bericht des römischen Kaisers Septimius Severus über sein Leben und den Bau der römischen Straßen bis in die Provinz Rätien angehört. Auch spannend!
Im zweiten Stock geht es ums Leben der Kemptener Bürger
Ein Raum widmet sich dem Thema Wohnen in Kempten. Dort kann man einen Blick in die Wohnzimmer etlicher heutiger Kemptener werfen.
Kempten hat frei gibt Einblicke in die Freizeitgestaltung in der Allgäu-Metropole. Schließlich verbringen nicht nur Touristen, sondern auch Allgäuer in Kempten Freizeit.
Auch der Handel bzw. das Markttreiben hat im Kempten-Museum einen eigenen Raum. Die „Wurstlampe“ darin hat mir dabei besonders gut gefallen.
Der Themenraum Gesundheit erhalten wartet mit einer schön nachgebauten Apotheke auf. Etwas gruselig ist dagegen das Werkzeug des letzten Kemptener Baders, der noch bis Mitte des letzten Jahrhunderts aktiv war.
Zentral ist im zweiten Stock der Mitmachraum Kempten für alle Sinne. Man kann dort sogar an eigens kreierten Kempten-Düften schnuppern und Stadtgeräusche anhören.
Fazit: ein familienfreundliches Mitmach-Museum
Wer mit einem Museumsbesuch das Abschreiten staubiger Vitrinen verbindet, wird vom Kempten-Museum angenehm überrascht: In jedem Raum gibt es Dinge zum Ausprobieren, kann man per Knopfdruck Fotos oder Filme abrufen oder kleine Podcasts anhören. Das macht den Besuch für Erwachsene und Kinder sehr kurzweilig.
Kinder können auch in mittelalterliche Gewänder schlüpfen. Für sie gibt es zudem ein nett gemachtes Aktivheft (für 1 Euro Schutzgebühr am Eingang erhältlich) mit Quizfragen, einem kleinen Kempten-Memory und Malanregungen. Das Museum ist damit auch ein perfektes Regenwetter-Ausflugsziel für Familien mit Kindern ab dem Grundschulalter.
In den Kellergewölben befindet sich sogar ein kleines Kino, in dem jeweils zur halben und vollen Stunde ein Kurzfilm gezeigt wird. Das „Kempten-Dingsda“ fand ich sehr lustig.
Da das Kempten-Museum keinen Eintritt kostet, kann man es wirklich fast wie ein Wohnzimmer benutzen und dort immer mal wieder vorbeischauen. Mal zum Kaffeetrinken, mal einen Themenraum genauer erkunden, mal ins Kellerkino gehen. Jeden Sonntagnachmittag wird um 14 Uhr eine Führung angeboten. Alle weiteren Informationen gibt es auf der Website zum Kempten-Museum im Zumsteinhaus.
Einen Ausflug in die Kemptener Unterwelt möchte ich euch auch noch ans Herz legen: Der Schauraum Erasmuskapelle ist mit seiner Multivisionsshow absolut sehenswert. Und wenn ihr bei all den Kempten-Aktivitäten hungrig oder durstig werdet, findet ihr vielleicht meinen Post Gut essen in Kempten hilfreich.